so kurz nach eurem wohlverdienten Wochenende melde ich mich mal wieder zu Wort und berichte euch von meiner abgelaufenen, der mittlerweile 15. Woche hier in Mexiko, Aguascalientes. Was war diese Woche los? Was ist passiert? So einiges. Auch diese Woche war wieder vollgepackt mit vielen außergewöhnlichen Momenten und Personen. Da wäre zum Beispiel meine Präsentation vor über 70 Studenten, eine tolle neue Frau namens Mercedes und ein Reitabenteuer welches vielleicht meine ultimative Mexiko-Erfahrung schlechthin war. Auch was meine berufliche Zukunft anbelangt, gibt Neuigkeiten zu vermelden. Alle Details, Erfahrungen, Gedanken und Gefühle zur letzten Woche gibt es nun. Wie immer wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen :)
The "International Week 2015" at UTR und mein großer Auftritt
Die abgelaufene Woche vom 19.01 - 25.01.2015 war eine ganz spezielle Woche für die UTR, denn in dieser fand die erste "International Week" in der noch jungen Geschichte der Universidad statt. Diese Woche stand ganz im Zeichen der internationalen Ausrichtung der Uni und ich durfte mittdrin statt nur dabei sein.Am Montagmorgen wurde die "International Week" ganz feierlich mit einer Eröffnungszeromonie eingeläutet. Die gesamte Schüler- und Lehrerschaft versammelte sich an vor dem Haupteingang der Uni um bei der Eröffnung live dabei zu sein. Zu Beginn der Zeremonie gab es zunächst eine Ansprache unserer Chefin bevor anschließend ganz patriotistisch die mexikanische Nationalhymne eingespielt und von einigen Studenten gesungen wurde. Die Nationalhymne ist das Ergebnis eines Wettbewerbs mit mehr als 15 Teilnehmern, der durch den damaligen Präsidenten General Marino Arista ausgeschrieben worden war. Eine Art Mexiko sucht die Nationalhymne also, leider ohne Dieter Bohlen tippe ich ;-) Die Nationalhymne - Mexicanos al grito de guerra - wurde dann offiziell 1854 bei den Feiern zur mexikanischen Unabhängigkeit vorgestellt. Die Hymne handelt über die mexikanischen Siege und ruft gleichzeitig zur Verteidigung des Vaterlandes auf. Die ganze Hymne geht normalerweise über 5 Strophen und dauert über 5 Minuten. Bei offiziellen Anlässen wie z..B. diese Erföffungszeremonie einer war, werden aber nur die ersten beiden Strophen gesungen, sodass das Spektakel nach zwei Minuten vorbei war. Fast alle sangen die Hymne kräftig mit, während sie ihren Arm in Soldatenmanier am Herz hielten. Es war das erste Mal, dass ich live dabei war als die Nationalhymne gesungen wurde. Die Hymne klingt für mich irgendwie ein bisschen nach der DDR-Hymne. Mir gefällt sie ohne Zweifel, aber die deuutsche Nationalhymne hat für mich dann doch mehr Bedeutung. Nach der Hymne wurde die mexikanische Flagge gehisst und zu Ehren dieser ("honeres de bandera") ein kleiner Soldatenmarsch aufgeführt. Für mich war das Ganze ein bisschen "raro" wie man hier in Mexiko sagt, aber es zeigte mal wieder den so typischen Landesstolz der Mexikaner und ihre Vorliebe für Traditionen. Und mir gefaellt einfach dieser Stolz auf sein Land, seine Wurzel und seine Herkunft.
Schueler singen die mexikanische Nationalhymne |
Die mexikanische Flagge darf natuerlich auch nicht fehlen |
Zum Abschluss der Zeremonie wurde dann " International Week" offiziell eröffnet in dem symbolisch das Eroeffnungsband durchgeschnitten wurde. Neben einigen Vertreter des Staates Aguascalientes und unserer Chefin war auch Paco der AIESEC-President Aguascalientes (also mein Boss) dabei. Der Startschuss für eine Woche gefüllt mit internationalem Flair, Vorträgen, Präsentationen und Workshops war damit also gefallen.
Offizielle Eroeffnung der International Week an der UTR (links Paco mein AIESEC-Boss) |
In der Vorwoche sprach mich unser Sprachen-Koordinator Jesus Roman (na wenn das nicht mal ein Name ist weiß ich auch nicht mehr) kurz an, ob ich als Redner während der Eventreihe zur Verfügung stehe, denn unheimlich viele Studenten als auch Lehrer wären an Deutschland interessiert. Natürlich sagte ich ohne große Bedenkzeit zu. Thema meines Vortrages sollte ein grober Überblick über die Voraussetzungen sein, um in Deutschland arbeiten bzw. studieren zu können. Als ich das Thema hörte, dachte ich mir: " Die Präsentation haste` gleich gemacht, easy peacy". Haha, schön wärs gewesen. Den halben Sonntagabend und den ganzen Montagabend saß ich an der verdammten Powerpoint-Präsentation. Das Ganze war doch mehr Arbeit als erwartet, denn ich musste mich erstmal in die ganzen Voraussetzungen einlesen. Ich hatte tatsächlich keinerlei Ahnung was man so braucht um in Deutschland zu studieren oder zu arbeiten. Oder wüsstet ihr ob man in Deutschland ein VISA braucht und wenn ja ab wann und wie lang usw.?
Am Dienstagmorgen um halb 10 war es dann soweit: Meine Präsentation stand bevor. Alles war angerichtet. Nach und nach füllte sich der große Audio-Hörsaal mit Studenten, sowie Kollegen und anderen Mitarbeitern. Das Adutorium war mit ueber 70 Personen komplett besetzt. Ich würde lügen, würde ich sagen ich wäre nicht ein kleines bisschen aufgeregt gewesen, als ich all die Menschen vor mir sah. Aber neben dieser Aufgregung war da auch ein Gefühl von absoluter Freude die Moeglichkeit zu bekommen vor all diesen Leuten zu sprechen zu duerfen, die alle nur wegen mir bzw. Deutschland gekommen waren. Mit diesem Mix aus Anspannung und Vorfreude legte ich ganz entspannt los und mit jedem Wort das ich sagte, legte sich die Aufregung und wandelte sich in puren Spaß am Reden. Präsentationen halten, vor anderen Reden und selbstbewusst auftreten, das waren schon seit der Schulzeit meine Stärken. Und das ich in den letzten Jahren an meinem Englisch gefeilt hatte, machte sich jetzt auch bezahlt. Wenn man bedenkt, dass Mama in der 5.Klasse schier verzweifelt dabei ist mir Englisch beizubringen und ich jetzt völlig frei Vorträge in dieser Sprache halte, dann ist das beinahe unwirklich für mich und gleichzeitig macht es mich auch ein kleines bisschen stolz. Englisch ist mittlerweile mein zweite Sprache und obwohl Deutsch natürlich immer meine 1. Sprache bleiben wird, hat sich Englisch in den letzten Monaten zu einer absoluten Komfort-Zone entwickelt in der ich mich pudelwohl fühle. You wanna talk in English? All right here we go!Yeah man!
Die Präsentation lief einwanfruuuui. Ich stellte zunächst ein wenig Deutschland vor, nannte einige interessante Fakten und ging anschließend auf die Arbeits-und Studienvoraussetzungen in Deutschland ein. Mittlerweile habe ich so oft ueber Deutschland, seine Menschen und Traditionen gesprochen, dass ich tatsaechlich ein kleiner Deutschland-Experte geworden bin. Je mehr man sich mit jemandem oder etwas auseinander setzt desto mehr faengt man etwas zu schaetzen und genau das ist auf eine komisch Weise mit mir passiert. Ja ich schätze Deutschland, ja mag Deutschland! Es bereitet mir Freude "mein" Land zu repraesentieren und es macht mich auch stolz ein Teil dieser grossartigen Nation zu sein, die überall auf der Welt einen so guten Ruf genießt. So emotional das klingen mag, aber genau das ist was ich denke.
Ich endete meinen Vortrag mit den Cultural differences zwischen Mexiko und Deutschland, wo ich natürlich so einige persönliche Geschichten aus meinen vergangenen vier Monaten erzählen konnte und einige Lacher auf meiner Seite hatte. Humor ist doch die kürzeste Verbindung zwischen zwei Menschen :) Höflich verabschiedete ich mich und lud alle Anwesenden ein nach Deutschland zu kommen. Vamos a Alemania! Nach knapp 80 Minuten war mein kleiner, großer Auftritt auch schon wieder Geschichte. Bei einem warmen Applaus stand ich auf der Buehne und strahlte einfach nur. Ich war glücklich und zufrieden. Die UTR ueberreichte mir am Ende dann noch eine "Reconocimiento", eine Art Urkunde, fuer die Teilnahme an der International Week. Ich war stolz! Ich hatte meiner Sammlung "Besondere Mexiko-Momente"einen weiterer kleinen Mosaikstein hinzugefuegt.
Aufmerksame Hoererschaft |
Offizielle Urkunde fuer die Teilnahme an der International Week |
Neben
meinem Vortrag gab es waehrend der International Week auch Dutzende weitere
Praesentationen, Vortraege und Workshops rund um das Thema Auslandserfahrung.
Beispielsweise gaben auch die zwei Amerikaner die mit mir hier an der UTR sind
einen kleinen Talk. , Patrick und Analesa, die hier liebevoll Gringos genannt
werden, sind beide super sympathisch, was vielleicht auch daran liegt, dass die beiden deutsche Nachnamen haben (Zimmermann und Gaebler).Gringo
bezeichnet hier in Mexiko normalerweise spezifisch einen US-Bürger und kommt von der Anweisung"Green go" - im
Krieg zwischen USA und Mexiko wegen der grünen Uniformen der nordamerikanischen
Soldaten.
Leider schaffte ich es aufgrund meines engen Studenplanes nur Analesas Vortrag mittwochs ueber das Studentenleben und die Kredit-Problematik amerikanischer Studenten zu hoeren. Und dieser Vortrag war fuer mich sehr hoerenswert als Europaer der sich mit der Studenten-Kultur in den USA noch nicht so auseinandergesetzt hatte. Mir war bewusst, dass das Studenten-Leben dort anders, etwas spezieller ist aber das es so anders ist haette ich nicht gedacht. In Amerika leben die meisten Studenten am Uni-Campus und haben dort vom Schwimmbad bis hin zum Doktor alles was sie zum Leben brauchen. Sie verbringen den Grossteil ihres Tages deshalb auf dem Campus um dort zu studieren, Freunde zu treffen oder einfach Spass zu haben.Und die Uni-Parties sind tatsaechlich so verrueckt wie sie in manchen Filmen dargestellt werden (Yeah, eine Illusion mehr an die ich glauben kann :D). Die Uni-Vorlesungen sind sehr begrenzt. Meistens hat man als Student nur zwischen 8-10 Stunden woechentlich Vorlesung, die weniger einer Vorlesung denn einer Gruppendiskussion aehneln. Der Rest wird selbststaendig in Heimarbeit gelernt und erarbeitet- studieren im wahrsten Sinne des Wortes eben. Die Studenten in den USA werden also schon frueh zur Eigenstaendigkeit und zu selbststaendigem Handeln erzogen. Sie bestimmen wann sie zur Uni gehen, welche Kurse sie besuchen und wie lange sie studieren. Zudem bekommen sie in den ersten Jahren eine bereite Ausbildung in allen sozialen und kulturellen Bereichen bevor sie sich erst im dritten Jahr auf ein Fachrichtung spezialisieren. Ich halte dieses System auf den ersten Blick fuer sehr gut, sollte aber aufgrund eines Vortrages vielleicht nicht zu vorschnell urteilen. Neben all den positiven gibt es naemlich auch einen gewaltigen Schwachpunkt am Studiensystem in den USA: Der Studienkredit. Im Durschnitt nehmen der Studenten in ihren 4 Jahren Studium einen Kredit von mehr als 180.000 $ auf. 180.000$? Meine Guete, das sind 150.000 Euro und mehr als manche in ihrem gesamten Leben verdienen. Mit 150.000 Euro kann man sein eigenes Unternehmen gruenden oder 10 Jahre durch die Welt reisen. Wer in den USA also studieren will begibt sich ohne reiche Eltern in einen finanziellen Sog, der vielleicht ein lebenlang anhalten kann. Haltet euch das mal vor Augen: Du bekommst deinen Abschluss und gleichzeitig weisst du, dass du ueber 150.000 Euro schulden hast und die abbezahlen musst. Na Happy Birthday! Faulenzen nach dem Studium kannst du fuer immer vergessen!
Interessanter Vortrag von Analesa ueber die Kredit-Problematik in den USA |
Auch ich liess mir diesen Vortrag nicht entgehen... wer findet mich? |
In den restlichen Tagen der international Week gab unzaehlige weitere kleine Highlights, wie zum Beispiel eine kleine Geburtstagsfeier eines Lehrerkollegen, einen Flash-Mob oder meine kleine, spontane Praesentation im Rahmen des AIESEC Global Talent-Programm, welches den Studenten an der UTR vorgestellt wurde. Hier ein paar kleine Ausschnitte rund um die Woche:
Flash-Mob |
Gabi und ich sprechen über das Global Talent Programm von AIESEC |
Kein Sex vor der Ehe? Kulturelle Unterschiede zw. Mexiko und Deutschland
Neben meinem ueblichen Unterricht im GLS-Projekt gebe ich, wie im letzten Post erwaehnt, auch Deutsch-Unterricht fuer Schueler und Lehrer. Meine Studenten, Schueler als auch Lehrer, sind sehr sehr an der deutschen Sprache, aber vor allem an Deutschland als Land und den "Deutschen" interessiert. In meiner kurzen Praesentationen ueber Deutschland die ich zu Anfang meiner ersten Deutschstunden hielt,ging ich auch kurz auf die Problematik der Kinderarmut und Familienproblematik in Deutschland eingegangen, die dazu fuehrt das unser Land in den kommenden Jahren mit einer zunehmenden Populationsschrumpfung zu kaempfen haben wird. Aus diesem kleinen Aspekt entwickelte sich mit meinen Schueler als auch mit den Lehrern eine aüßerst spannende Diskussion um den Stellenwert von Familie und über die kulturellen sowie traditionellen Unterschiede zwischen Mexiko und Deutschland. Diese Diskussionen waren für mich so außergewöhnlich, dass ich die Hauptinhalte mit euch teilen möchte, damit ihr Mexiko besser versteht. Um was ging es genau?1.) Der Stellenwert der Familie in Mexiko und in Deutschland
Während in Deutschland die Familie sicherlich einen wichtigen Platz in der Gesellschaft einnimmt, so schwindet ihre Relevanz doch mit zunehmender Geschwindigkeit. War früher die Familie noch klar auf Platz 1, so haben nun Karriere und persönliches Vergnügen die ersten zwei Plätze eingenommen. Erst auf Platz 3 läuft dann die Familie ein. In kaum einem anderen Land der Welt zählt die Familie so wenig wie in Deutschland. Das ist zumindest das Ergebnis einer Studie, die am Institut zurZukunft der Arbeit (IZA) in Bonn erschienen ist. Auf lange Sicht ist die Familie in Deutschland von der sinkenden Geburtenrate bedroht. Diese liegt derzeit statistisch gesehen bei 1,4 Kindern je Frau. Vergegenwärtigt man sich, dass mit Beginn der Industrialisierung, also vor rund 140 Jahren, eine Frau hierzulande durchschnittlich 4,7 Kindern das Leben schenkte, wird die ganze Dramatik dieser Entwicklung deutlich. Für unsere Generation steht die Familie sicher nicht mehr ganz oben auf der Liste. Frauen wollen nicht mehr "nur" Mütter sein, sondern ihre eigene Karriere verfolgen. Unser Streben nach Selbstverwirklichung im Beruf geschehen auf Kosten von Mutterschaft oder Vaterschaft. Das Streben nach Glück, Freiheit und einem coolen Leben kollidiert mit der lebenslangen Verantwortung, die Familie mit sich bringt.Kinder haben? Puuuuh, erstmal nicht. Kein Bock. Viel zu anstregend. Erstmal leben genießen und so. YOLO you only live once. Kinder kommen dann wenn man seine Karriere hat, wenn man Geld hat und wenn man dazu bereit ist. Doch ist man dazu jemals bereit? Und ist Mutter oder Vater sein nicht mindestens genauso cool wie der nächste Urlaub in Thailand? Wenn ich mich mit den jungen Mädels/Frauen in Deutschland so unterhalte, finde ich es bedenklich was manche da so von sich geben. "Meine Kinder sind mein Hobby. Ich spiele eben nicht Golf oder gehe segeln." Diese Sätze sagte z.B. die Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe, Sigrid Evelyn Nikutta, der "Süddeutschen Zeitung". Sind wir wirklich schon soweit das Kinder und Familie nur noch Hobbies sind? Kinder als Statussymbolen und als netter Zeitvertreib? Ich halte diese Entwicklung für bedenklich.Ganz anders die Familie in Meixko. Familie hat hier einen ganz ganz besonderen Stellenwert im täglichen Leben und in der Gesellschaft. Die Familie ist in Mexiko das Herz und die Seele der gesellschaftlichen Struktur. Die Großfamilie war und ist seit jeher die Stütze der Gesellschaft. Die Rolle der Familie ist denke ich in jeder Kultur entscheidend für die gesellschaftliche und für die politische Struktur des Landes, aber hier in Mexiko ganz speziell. Familie wird in Mexiko noch weitgehend traditionell, konservativ verstanden und entsprechend gelebt. An den Familienstrukturen, auch am Bild einer idealen Familie, hat sich seit vielen Jahrhunderten in Mexiko wenig geändert. So prägt die Familie weiterhin die Menschen hier weit mehr, als dies in europäischen Ländern Kindergarten, Schule, Freunde, Internet, Freizeitgruppen und / oder Studienkommilitonen tun. Heute leben noch fast 90 Prozent der Mexikaner in einer Familie, während etwa in Deutschland ca. 50 Prozent aller Haushalte aus Singles bestehen. Ein weiterer Unterschied ist augenfällig: Während die meisten europäischen Familien aus Eltern und ein bis zwei Kindern bestehen, umfasst eine typische mexikanische Familie neben Vater, Mutter oftmals zwischen 4-8 Söhnen bzw. Töchtern und dazu auch Neffen und Nichten, Onkel und Tanten,Cousins und Cousinen und - zumindest in wohlhabenden Verhältnissen - die verschiedenen Hausangestellten wie Kindermädchen, Gärtner, Chauffeur und und und. Jeder kennt hier jeden und zwischen allen Familienmitglieder herrscht ein enges Verhältnis. Es ist im wahrsten Sinne eine Großfamilie. Bei uns in Deutschland sehen manche ihren Cousin nur sehr selten oder kennen ihn noch nicht mal wirklich. Das wäre hier unmöglich!
In Mexiko fungiert die Großfamilie auch als eine Art
Wohlfahrtsinstitution, und zwar noch vor der Kirche und vorallem vor dem Staat.
Hier gibt es keinen Sozialstaat wie in Deutschland, der für dich sorgt wenn du
arbeitslos bist, der dir Kindergeld gibt, der dir im Falle der
Arbeitsunfähigkeit hilft, der im Großen und Ganzen für dein soziales Wohergehen
sorgt. Diesen Part übernimmt hier die Familie. Gegenüber Verwandten gleicht sie
damit die soziale Not aus, wenn zum Beispiel ein Familienangehöriger
arbeitsunfähig, krank oder arbeitslos wird, kann er sich dann auf seine Familie
verlassen. Die durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit des Familienangehörigen
damit auch in Not geratene Familie wird dann von der Großfamilie unter
Umständen im Haus aufgenommen und „mit durchgefüttert“.Diese Herzlichkeit unter
der eigenen Familie tragen die Mexikaner auch an die Touristen weiter, nur so
ist zu erklären, dass ich hier so wunderbar aufgenommen wurde. Es ist diese
Herzlichkeit und Offenheit der Mexikaner auch fremde in ihre Großfamilie
aufzunehmen, die mich nachhaltig begeistert hat. "Mi casa es tu casa" ("Mein Haus ist
dein Haus") das ist wohl einer der Hauptlektionen die ich hier in Mexiko
gelernt habe.
2.) Freiwillige Abhängigkeit als Hindernis für Entwicklung
So toll ich das Familienbild in Mexiko auch finde, so verhindert das enge Familienverhältnis und die traditionelle Großfamilie auch die Weiterentwicklung des Landes. Die jungen Menschen, wie z.B. auch Diego wohnen bis Mitte oder beinahe Ende 20 noch bei ihren Eltern und leben mit deren Regeln und Traditionen. Während in Deutschland mit Anfang 20 viele junge Menschen ausziehen und in ihre eigene Wohnung ziehen, um ihr eigenes Leben zu leben, ziehen es die Mexikaner vor wohlbehütet bei ihren Familien wohnen zu bleiben. Damit geht vielen jungen Mexikanern meiner Meinung nach der wichtigste Schritt auf dem Weg ein Erwachserner zu werden verloren: Die Aufgabe selbst über sein Leben zu bestimmen. Nur wenn man mal alleine gewohnt hat und jeden Tag selbst entscheiden muss was man macht, was man isst, was man einkauft, wann man aufräumt usw. lernt man für sich selbstverantwortlich zu sein. Weg von der Familie, bedeutet weg aus der Komfort-Zone, bedeutet allein verantwortlich zu sein. Da ist keine Mama mehr die dir kocht und kein Papa mehr der deine Rechnungen bezahlt. Plötzlich musst du alles alleine schaffen und auch wenn es am Anfang schwierig ist und man so manche Fehler, bekommt man das mit der Zeit doch irgendwie hin. Und genau aus diesen Erfahrungen lernt man am aller meisten. Es ist für mich DER wichtigste Schritt um Erwachsen zu werden. Doch hier wird dieser Schritt übersprungen. Die Mexikaner leben bis spät mit ihren Eltern zusammen und bleiben in ihrer wohlbehüteten Umgebung. Diego bspw. ist super intelligent beim Programmieren, aber müsste er von heute auf Morgen seine eigenen Entscheidungen treffe wäre er völlig überfordert. Seine Entscheidungen werden ihm von seinen Eltern abgenommen, die ihm täglich sagen was er zu tun und zu lassen hat, frei nach dem Credo:Solang du deine Füße unter meinen Tisch streckst, machst du was ich sage! Sagen dir deine Eltern du sollst um 4 Uhr zuhause sein nachts, dann kommst du auch um 4 Uhr nach Hause. Egal ob du 18 oder 27 Jahre bist. Und wenn du später bist, kannst du sicher sein, dass deine Mama 10x auf deinem Handy anruft und nachfrägt was los ist. Somit sind die jungen Mexikaner hier in einer Art freiwilligen Abhängigkeit gefangen. So lange sie mit der Familie wohnen haben sie auch die Regeln zu befolgen. Basta. Schluss aus. Eine Widerrede gibt es nicht. Wäre ich Diego, ich wäre schon 100 x ausgezogen, wenn ich jeden Samstag um 8 Uhr aufstehen müsste obwohl ich das nicht will, oder ständig Rechenschaft ablegen müsste, wo ich hin gehe, wann, mit wem und wie lange. Aber hier wird das einfach akzeptiert. Zu revoluzzen, Nein zu sagen, frech zu sein, dass erlaubt sich hier niemand. Man befolgt die Regeln und passt sich an. Und irgendwann findet man dann eine Frau, heiratet und dann gibt diese die Regeln vor. Wirklich alleine, zumindest für eine gewisse Zeit, leben die wenigsten Mexikaner. So verpassen sie den wichtigen Schritt sich selbst zu finden, sich selbst zu erkunden, eigene Sichtweisen zu entwicklen und ihren eigenen Weg zu gehen- schlichtweg ihr Leben zu führen. Das ist meiner Meinung nach einder Hauptgründe warum sich hier in Mexiko in all den Jahrzehnten nichts wirklich verändert hat und vermutlich auch nie wird.3.) Sex als Tabu-Thema
Das Thema Sex spielt hier in Mexiko eine ganz andere Rolle als in Deutschland. Während in Deutschland darüber sehr offen gesprochen wird und Sex sowie offene Sexualität (Lesben/Homos) ein fester Bestandteil der deutschen Kultur geworden sind gleicht Sex in Mexiko einem Tabuthema. Seitdem ich mit meiner Familie hier wohne haben wir noch kein einziges Mal über Frauen oder Sex gesprochen. Dieses Thema gibt es hier nicht. Auch in den Schulen wird Sexualkunde nicht wirklich unterrichtet. Es wird einfach totgeschwiegen. Die Kinder werden von ihren Eltern nicht aufgeklärt. Aufklärung findet beim Tuen statt. Somit ist auch zu erklären, dass es hier so verdammt viele junge Mütter gibt. An der UTR gibt es einige Schüler die mit 18 Jahren schon zwei Kinder haben und verheiratet sind. Spreche ich mit ihnen und frage sie ob die Kinder gewollt waren, sprechen sie von "Jein", sprechen sie von einem Art "Unfall". Wie kann ein Kind bitte ein Unfall sein? Genau, nur wenn es kein Wissen über Verhütung gibt. Kondome kann man hier zwar überall kaufen, aber über die Pille wissen nur die wenigsten Bescheid. Ich kenne hier keine Frau die die Pille nimmt. Würde man für die Pille fragen, würde man damit offen zugeben, dass man Sex haben will ohne Kinder zu bekommen. Das widerspricht einesrseits streng dem katholischen Glauben, aber andererseits würde man auch zugeben, dass man eine Art Hure ist, so die Aussage der Mädels. Auch die "Pille danach" ist also keine Option, denn geht man hier zum Arzt und fragt nach dieser Pille, wird man noch als Hure abgestempelt, die Sex vor ihrer Ehe hatte und nun auch noch ein Kind verhindern will. Die Religion (obwohl die jungen Leute nicht wirklich gläubig sind) und der Druck der Gesellschaft verhindern ein offenes Umgehen mit dem Thema Sex und Verhütung. Es wird einfach ein Schweigemantel darüber gelegt. Sex hat man hier nicht in seinem eigenen Haus oder seinem Zimmer, sondern in einem Motel irgendwo in der Stadt. Es gibt hier ein richtiges Sex-Buisness für Motels. Freitag, Samstag und Sonntag ist beinahe jedes Motel ausgebucht ab 22 Uhr, da ganz AGS seinem heimlichen Vergnügen nachgeht. Trifft sich hier also in einer Bar und falls dann ernster werden soll, braucht man ein Auto, fährt zum nächstbesten Motel, zahlt seine 350 Pesos (20 Euro) und kann seinen Spaß haben. Alles natürlich geheim und nur für zwei-drei Stunden, dann folgt das nächste Pärchen. Es ist schon irre, was sich aus diesen stupiden Traditionen rund um Sex hier entwickelt hat.4.) Wegen Abtreibung ins Gefängnis
Auch das Thema Abtreibung ist hier äußerst brisant: Jedes Jahr sterben in Mexiko Tausende von Frauen infolge von illegal und stümperhaft durchgeführten Abtreibungen, andere werden zu Haftstrafen verurteilt. Der Grund dafür sind zum einen die Abtreibungsgesetze, zum anderen die hohe Zahl an ungewollten Schwangerschaften. Dabei spielen zahlreiche Faktoren zusammen: falsche Moralvorstellungen, die den Frauen ihr Recht auf Selbstbestimmung absprechen, ungenügende Sexualaufklärung und die weit verbreitete sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen.Noch immer ist Abtreibung im gesamten Staatsgebiet Mexikos illegal. Die einzige Ausnahme bildet Mexiko-Stadt. Hier sind Schwangerschaftsabbrüche seit einer Gesetzesreform in 2007 in vereinzelten Fällen gesetzlich erlaub. Das ist schon krass, wenn man sich vor Augen führt, dass eine Abtreibung in Deutschland teilweise als "normal" angesehen wird.
5.) Freundin im Haus? Fehlanzeige. Stattdessen lügen das sich die Balken biegen
Freundin im Haus obwohl man nicht verheiratet ist? Uhhhlala, da ist man in Mexiko eher vorsichtig mit. Bestes Beispiel Diego: Er hat seit knapp nem halben Jahr mehr oder minder eine feste Freundin namens Alexa. Jedoch weiß das außer ich und ein, zwei Freunde niemand, vor allem nicht seine Familie. Diego und Alexa sehen sich regelmäßig, machen natürlich auch mehr als sich nur zu küssen, aber das alles ganz ganz geheim und ohne das jemand davon was mitbekommt. Sie haben Angst, dass ihre Familien gleich von einer Hochzeit oder Kindern reden, weshalb sie lieber geheim bleiben. Anderes Beispiel Jonathan: Als er mit einer Freundin an den Strand gefahren ist um dort zu zweit ein bisschen Urlaub zu machen, erzählte er seiner Familie er fahre mit mir und einigen Freunden nach Guadalajara zu einem Stadttrip. Er konnte seinen Eltern nicht sagen, dass er alleine mit einem Mädel ist, dass er nicht liebt und nicht heiratet - mit 24 Jahren. Um die Traditionen zu bewahren wird hier halt gelogen das sich die Balken biegen. So lange du noch bei deinen Eltern wohnst, egal ob mit 18 oder mit 27 Jahren, sind Freundinen eine Art Tabu, solange sie nicht deine Verlobte ist. Für mich als Europäer ist das nur noch zum Kopfschütteln. Ich dachte ja manchmal meine Eltern seien konservativ, aber seit ich hier in Mexiko bin, hat Konservatismus für mich eine komplett neue Dimension. Mama und Papa, danke, dass ich mit 15 Jahren meine Freundin haben durfte und Mama Entschuldigung, dass ich mir nie ein Motel genommen habe. Nun weiß ich es zu schätzen!Die Gesichter sagen es: Deutsche Sprache, schwere Sprache |
Die herrliche Landschaft Aguascalientes & eine tolle Frau
Diese Woche war auch eine Art "Mercedes- Woche". Nein, damit meine ich nicht, dass ich mit einem Mercedes rumgekurvt bin. Damit spreche ich auf eine super-tolle Frau namens Mercedes an, die ich kennenlernen durfte seit ich an der UTR arbeite.Mercedes in ihrem Buero an der uTR |
La puesta del sol - Der Sonnenuntergang in Aguascalientes |
Ohhhhooo, no photos, por favor! |
Leckere japanisch /mexikanische Kueche |
Ich war wirklich sehr sehr angetan von ihr. Sie ist wirklich eine reife Frau mit ihren 25 Jahren. Sie weiß genau was sie will und wann sie es will. Sie ist viefältig interessiert,talentiert, hat eine super positive Lebenseinstellung und ein fantastisches Lächeln. Und vorallem: Sie ist nicht die typische mexikanische Frau, sondern eher europaeisch. Sie trägt Tattoos (hier sehr ungewöhnlich), sie kleidet sich extravagant und nicht verheiratet und hat keine Kinder. Sie ist also nicht nur hübsch, sondern auch als Charakter sehr interessant und sympathisch. Eine klasse Frau!
Wir verbrachten den gesamten Nachmittag zusammen und landeten am Ende in einem japanischen Restaurant. Bei leckerem japanisch-mexikanischen Essen ließen wir dann den Tag ausklingen. Ich hatte mich auf jeden Fall ein bisschen verguggt, haha. Mal sehen, was sich da so entwickelt die nächsten paar Wochen. Ich bin gespannt :)
Wer meinen letzten Eintrag gelesen hat, der hat wahrscheinlich auch den kleinen Abschnitt über meine komischen Gefühle gelesen die einem Mix aus Ängsten und Zweifel bezüglich meiner beruflichen Zukunft entsprangen. Die Frage die sich mir letzte Woche so deutlich stellte war: Was will bzw. werde ich nach meiner Ankunft in Deutschland tuen? Arbeiten, Master machen, Praktikum machen, eine Auszeit nehmen, Reisen? Ich war mir unsicherer denn je was ich wirklich mit meinem beruflichen Leben in den kommenden 1-2 Jahren anstellen werde. Und all die Optionen, die mir offen standen, machten mich mehr und mehr unsicher. Ich war mir nur in einer Sache fast sicher: Ich werde im Sommersemester keinen Master machen. Ich wollte verschiedene Praktikas in Angriff nehmen. Und wie das nunmal so ist im Leben, kommt dann doch manchmal alles ganz anders als man denkt. So auch dieses Mal. Am Donnerstagmorgen überfolg ich wie ganz gewöhnlich meine neuen Mails als ich plötzlich bei dem Wort "ZULASSUNGSBESCHEID" hängen blieb.
Schnell öffnete ich die Mail und was ich da sah, machte mich irgendwie
glücklich und unsicher zugleich: Es war der Zulassungsbescheid für
meinen Master an der FH in Deggendorf (Bayern) für den Masterstudiengang
"Internationales und Strategisches Management". Wenn es einen Masterplatz gab für den ich mich
bei all den Bewerbungen wirklich interessierte war es dieser. Warum?
Nunja, der Studiengang wird komplett in Englisch abgehalten und hat
zudem ein intregiertes Auslandssemster (evtl. in Brasilien oder Frankreich) im letzten
der drei Studiensemster, was für mich natürlich ein besonderer Anreiz
war. Zudem hat die FH Deggendorf einen ausgezeichneten Ruf und bietet
ein super internationales Flair am Campus mit Studenten von allen
Herrenländern. Zudem liegt Deggendorg im schönen Bayern und ist ein Knotenpunkten zwischen Passau, Regensburg und anderen schönen Städtchen. Plötzlich war der
Master für mich doch wieder eine Option. Von 0 auf 100. Von No Option to
THE Option? Vielleicht.
Ich werde mich auf jeden Fall einschreiben. Ob ich tatsächlich dann dort studieren werde, werde ich dann die nächsten Woche entscheiden. Vielleicht ist es genau das Passende für mich jetzt, oder vielleicht verschwende ich mit Master Zeit und hindere mich daran wirklich meine Träume in Angriff zu nehmen. Ich weiß es nicht und vermutlich werde ich es auch nie wissen. Probieren geht über studieren. Vielleicht dieses Mal studieren geht vor Probieren?
Ich werde mich auf jeden Fall einschreiben. Ob ich tatsächlich dann dort studieren werde, werde ich dann die nächsten Woche entscheiden. Vielleicht ist es genau das Passende für mich jetzt, oder vielleicht verschwende ich mit Master Zeit und hindere mich daran wirklich meine Träume in Angriff zu nehmen. Ich weiß es nicht und vermutlich werde ich es auch nie wissen. Probieren geht über studieren. Vielleicht dieses Mal studieren geht vor Probieren?
Mexiko Erfahrung gefeallig?- Ein Deutscher als echter mexikanischer "Vaquero"
"Einsam und immer unterwegs,knabbert er den letzten Keks. Der letzte Cowboy kommt aus Güterslohund sucht die Freiheit irgendwo - Irgendwo"
Dieser Text des Klassiker "Der letzte Cowboy" hat nach unzähligen (stark
alkoholisierten) Nächten im Hause Behres/Keller in meinen Kopf gebrannt und als
ich am Sonntagnachmittag auf meinem
Pferd durch die wundervolle, die atmenberaubende Sierra Mexikos ritt, spielte
dieser Song in meinem Kopf auf Dauerschleife. Freiheit ist das Schönste was es gibt, sang
auch Westernhagen und ich musste ihm ohne Zweifel zustimmen nach diesem Sonntag
. Freiheit, Mexiko, Aguascalientes, Vaquero, Cowboy….eine unvergessliche
Mexiko-Erfahrung. Doch alles der Reihe nach.
Nach einer (wiedereinmal) kurzen Nacht,
klingelte am Sonntagmorgen um halb 10 der Wecker. Mit tiefen Augenrändern unter
den Augen und einem Geschmack im Mund der hässlicher hätte nicht sein können,
wachte ich auf. Meine Laune hätte nicht schlechter, meine Lust aufzustehen und
etwas zu unternehmen nicht weniger sein können. Ich wollte einfach nur im Bett
bleiben und schlafen. Ich schaute Diego, der unter mir auf seinem
Luftmatratzen-Bett lag, in die Augen und ich glaube er dachte das Gleiche. Aber
wir hatten Jonathan versprochen, dass
wir etwas unternehmen und versprochen ist nun mal versprochen.
„Vamonos pues“ sagte ich völlig
unmotiviert und Diego antwortete nur „Si vamonos pues“, was so viel heißt wie
„Jawoll auf geht’s!“
30 Minuten später lagen wir immer noch
im Bett und hatten uns keinen Zentimeter bewegt. Typisch Mexiko eben! Aufstehen
kann verdammt schwer sein manchmal. Irgendwie konnten wir uns dann doch endlich
aus dem Bett schleppen und nach meiner mittlerweile geliebten eiskalten Dusche
fühlte ich mich tatsächlich bereit etwas zu unternehmen. Wenige Minuten später
klingelte Jonathan dann auch schon an der Tür, um uns abzuholen. „Vamonos pues!
Andale“
Als Kary unser Trio dann noch
komplettierte war unsere mexikanisch-deutsche Kleinfamilie wieder vereint. Wie
beinahe jeden Sonntag unternahmen wir
etwas in dieser Vierer-Kombo, die mir mittlerweile ans Herz gewachsen
ist. Jonathan, Diego und Kary sind meine
Lieblingsmenschen und meine besten Freunde
hier in Mexiko. Nach all dem was wir schon zusammen erlebt und unternommen
haben sind wir ein unschlagbares Team.
Nachdem wir letzte Woche gemeinsam in
Cavillo waren, führte uns unser Weg heute nach Rincon. Wer die letzten
Blogeinträge aufmerksam gelesen hat (wahrscheinlich außer Papa niemand :D) wird
jetzt hektisch aufspringen und sagen: „Was Rincon? Schon wieder Rincon? Bist du
denn lebensmüde?“
Ja genau Rincon ist der Ort an dem ich
vor knapp 3 Wochen auf einem Pferd meine erste Nahtoderfahrung gemacht hatte,
die mich jetzt noch manchmal nachts schweißgebadet aufwachen lässt ;-) Aber
jede schlechte Erfahrung ist meiner Meinung nach da um sie mit einer guten
Erfahrung vergessen zu machen. Schlimmer wie beim letzten Mal konnte es ja
nicht werden, dachte ich mir. Also: Sattelt die Pferde, richtet die Cervezas
und den Tequilla. Der deutsche Cowboy mit seinem Lieblingstrio ist wieder
unterwegs!
Auf dem Weg nach Rincon machten wir
einen kurzen Frühstückszwischenstopp im kleinen San Pancho, das für seine
verschiedenen Fleischvariationen bekannt ist. Überhaupt habe ich noch nie in
meinem Leben eine solche Vielfalt von Fleisch gesehen und gegessen wie hier in
Mexiko. Es wird vom Schwein, über das
Schaaf, das Rind bis hin zum Huhn wirklich jede erdenkliche Fleischsorte
gegessen. Dabei wird zum Beispiel beim Schwein nicht nur der Schweinrücken oder
der Schweinebauch gegessen wie in Deutschland, sondern auch das Gehirn, die
Ohren, die Füße und auch die Nase. Auch die Schweinehaut wird in fritierter
Form und mit Chilli-Ketchup gegessen. Ich weiß das klingt verdammt eeeeglich,
aber es ist die Wahrheit. Beinahe zu jedem Essen wird in Mexiko irgendeine Art
von Fleisch serviert. Ein Essen ohne Fleisch, Chilli und Tortillas ist für
einen echten Mexikaner kein Essen. Über einen frischen Salat würde ein
Mexikaner mit einem herzhaften lachen und irritiert fragen wann denn bitte die
Hauptspeise kommt. Selbst Suppen sind keine normalen Suppen, sondern werden im
mexikanischen Stil serviert. Zum Frühstück gab es deshalb ganz typisch Biria
und Consume, was heiße Suppen mit viel Fleisch, Tortillas und Chili sind.
Frisch gestärkt stand unserem
Reit-Abenteuer dann nichts mehr im Wege. Gegen 12 Uhr kamen wir in Rincon an,
wo wie beim letzten Mal Ivan, Diegos Cousin, und seine Freunde empfingen. Alles
war bereits angerichtet: Die Pferde
waren gesattelt, der Tequilla eingekauft und das Wetter bestens. Wir mussten
praktisch nur noch in den Sattel springen und auf gings. Ivan bot mir zunächst
sein Pferd an, das Pferd mit dem ich beinahe in den Tod geritten wäre. „Nichts
gegen das Pferd“, dachte ich mir, “aber vielleicht sollte ich das Schicksal
heute nicht schon wieder herausfordern“ weshalb ich Ivans Angebot dankend
ablehnte. Stattdessen bekam Kary das Pferd und ich ein etwas kleineres Pferd,
das durch seine graue Farbe eher aussah wie ein Esel.Passt doch herrlich: Ein
Esel auf einem Esel. Wir sollten ein gutes Team abgeben….
Ob Esel oder nicht, als ich auf dem
Pferd saß war ich schon ein klein wenig nervös. Mittlerweile habe ich doch
schon einen gewissen Respekt vor einem Pferd. Dementsprechend langsam legten
wir los und ritten in gemächlichem Trab in Richtung Sierra (=Wüste). Unzählige Kakteen,
Nopales, kleine Bäume, Sträucher, Felsen sowie andere Kleintiere wie Kühe,
Schaafe und Grillen machen die Sierra zu einem der schönsten Naturplätze in
Aguascalientes. Man konnte die Natur nicht nur sehen, sondern auch hören und
fühlen. Es war schlichtweg herrlich.
The magic three: Kary, Diego und Jonathan |
Alles im Griff! |
Ein echter Vacero |
Auch mein Pferd hatte heute (zum Glück) keine besondere Abenteuerlust weshalb ich keine Mühen hatte beim Reiten. Stattdessen konnte ich gemütlich meinen Tequilla trinken, die Landschaft genießen und mit den anderen ein bisschen plaudern. Zudem konnte ich einen der größten Traum von Kary, die im Norden von Mexiko auf der Ranch ihres Vaters aufwuchs und somit eine waschechte Ranchera ist, wahrmachen: Gemeinsam ausreiten und dabei Händchen halten. Sie hätte sich wahrscheinlich nie träumen lassen, dass sie diesen Traum einmal mit einem Deutschen, der vom Reiten abseits des Bettes so gar keine Ahnung hatte, wahrmachen würde. Aber so spielt nun mal das Leben und ihrem Lächeln zufolge war ihr das auch völlig recht. Verdammt süß nicht wahr?
Nach einem rund einstündigem Ritt querfeldein durch die Wüste kamen wir dann an unserem gewünschten Ziel an. Ein kleiner See inmitten der Wüste. Dort konnte die Pferde ein bisschen verschnaufen und wir auch. Reiten ist gar nicht so unanstrengend. Ganz im Gegenteil: Als ich von meinem Pferd abstieg, schmerzten mir der halbe Körper und vor allem meine Beine. Ich lief wie ein 80-Jähriger Rentner, der seine O-Beine nicht mehr zusammen bekam. Ich hatte die Schadenfreude der anderen natürlich auf meiner Seite. Zur Stärkung gab es von Ivan erst einmal ein kühles Cerveza. Ahhhh, lecker!
Da standen wir also inmitten der Wüste mit einem herrlichen Ausblick auf das Tal von Aguascalientes und laberten dumm (ich verstand so ca. gar nix) und tranken bei herrlichem Sonnenschein sowie mexikanischer Musik unser Bier. „Oh man das Leben kann echt gut sein“, dachte ich mir. Und in diesem Moment war es mehr als gut, es war sehr besser! Doch das eigentlich Highlight des Tages stand noch bevor: Die Rückkehr nach Rincon mit den Pferden.
Als es langsam anfing zu dämmern wurde war es Zeit die kleine Fiesta zu beenden und nach Rincon zurückzukehren. Während die anderen Jungs um Ivan im Auto zurückkehrten, hatten wir zwar das weitaus anstrengendere Fortbewegungsmittel, aber sicherlich auch das bessere: Das Pferd. Ich bekam wieder meinen kleinen „Esel“ während Kary, Jonathan und Diego sich auf die restlichen Pferde verteilten. Wir waren bereit! Und auch die Pferde waren nach der Pause bereit für den langen Heimweg. „Vamonos pues! Andaleee! Lets go!“. Mit einem Grinsen im Gesicht und entgegen der Sonne ritten wir los. Da es keinen wirklichen Weg nach Hause gab, ritten wir querfeld ein durch die Sierra. Angeführt von den zwei Diegos ging es vorbei an Kakteen, Nopales und Sträuchern, felsige Hänge hinab und hinauf, durch kleine Flüsse und über große Baumstämme. Die Landschaft war einmalig, mit Worten kaum zu beschreiben. Ihr könnte euch nicht vorstellen was ein Freiheitsgefühl es war inmitten dieser Sierra auf einem Pferd zu reiten. Ich hatte in meinem Leben noch nie zuvor ein solches Gefühl gehabt. Ich fühlte mich mit meinem Sombrerro auf meinem Kopf und dem Strohhalm im Mund wie ein echter mexikanischer „Vaquero“. Wer hätte gedacht das aus einem Pälzer Buuh mol noch en echte Cowboy wärd?
Immer wieder schauten Kary, Jonathan, Diego und ich uns an und konnte unsere Glückseligkeit kaum fassen. Es war so einfach, es war so unkompliziert. Wir brauchten kein tolles Auto, kein teures Spielzeug, kein Iphone, kein Geld der Welt, nada. Was uns so glücklich machte, war diese Einfachheit des Seins, die tolle Ursprünglichkeit des Lebens.
Nur ein Pferd, Natur und du- das war alles was es
brauchte um den Unterschied zu machen! Es war die pure Freiheit die wir
spuerten. Freiheit ist ein sehr
weitreichender Begriff und bedeutet sicherlich für jeden etwas anderes, aber garantiert
jeder sehnt sich danach. Freiheit heißt für mich persoenlich Glück, Freude und
Leichtigkeit. Wenn ich ohne Angst und Zwang leben kann. Freiheit spüre ich,
wenn ich in den Tag hineinleben kann, wenn ich die Zeit vergessen kann und
keine Termine, kein MUSS MUSS MUSS habe, sondern die Schoenheit des Lebens
wirklich sehen, fuehlen und schmecken kann. Wenn die Zeit einfach unwichtig
ist, ich keinen Stress oder innerlichen, sowie auch äußerlichen Druck habe,
etwas tun zu müssen. Wenn ich auch einfach mal nur Sein kann, wenn ich mich
hinsetzten kann und einfach nur da bin im im Moment. Ich fühle ich mich frei in
der Natur, an Orten mit weitem Land, zb. am Meer, wo ich unendlich weit in den
Horizont sehen kann, wo alles andere sekundaer ist. Und genau das hatte ich in diesem
Moment.
„Eso es Mexico! Das ist Mexiko!“ Was für eine Mexiko-Erfahrung!
Die Landschaft der Sierra :) |
Ernsthafte Gespraeche zwischen den Cowboys |
Nach rund zwei Stunden waren wir wieder in Rincon angekommen und stiegen von den Pferden ab. Unsere Ärsche schmerzten höllisch, die Beine taten weh und auch der Rücken beklagte sich, aber trotzdem waren wir zufrieden wie kleine Kinder. Wir schworen uns wieder zurückzukommen. Wer hätte das gedacht, nachdem wir am Morgen noch so unmotiviert waren, dass dieser Tag zu einem der besten der letzten Monate werden würde? Wohl niemand!
Wir verabschiedeten uns herzlich bei Ivan und den anderen Leuten, die uns diese Erfahrung ermöglicht hatten und machten uns auf den Heimweg. Im Auto wurde die Musik aufgedreht und noch voller Endorphine gröhlten wir jeden Song mit. „So what we get drunk, so what we smoke weed, we are just having fun, living YOUNG & WILD & FREE!“ Das war unsere Hymne, die alles auf den Punkt brachte. Wir sind jung,wir sind verrückt, wir sind frei! Mexiko ich liebe dich!!! Wir schossen durch den mexikanischen Sternenhimmel, ich hatte meine besten Freunde um mich, eine bezaubernde Frau in meinem Arm und ein Grinsen das über alle Backen ging. Und trotz der Glückseligkeit und obwohl ich diesen Moment mehr als genoss, dachte ich auch schon daran bald gehen zu müssen und das alles nicht mehr zu haben. Es war ein komisches Zwittergefühl aus purer Freude und Abschiedsschmerz der da in mir war. Aber wie sagte einst Winni Pooh so schön:
"What day is it?"
"Its today", squeaked Piglet
"Okay, that is my favorite day!", said Pooh
Bis demnaechst,
in Liebe Pascal
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen